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Presseinformation

Ganztagesschule Steinrausch

ABMP Architekten, Freiburg

Abschied vom Schulflur

Die Ganztagsgrundschule in Steinrausch geht neue Wege beim Schulbau – mit flexiblen Lern- und Raumkonzepten

Freiburg, 07.12.2021. Das Architekturbüro ABMP aus Freiburg im Breisgau hat soeben die Erweiterung einer Ganztagsschule im saarländischen Steinrausch fertiggestellt. In dem Stadtteil von Saarlouis besteht bereits seit 1983 eine Grundschule mit Ganztagsangebot in Form eines expressiven Rundbaus. Durch den Anschluss eines L-förmigen, zweigeschossigen Neubaus fasst nun das daraus entstandene Ensemble einen zentralen Eingangshof. Das Überraschende des Neubaus liegt im Innenaufbau: Indem die Lernräume zu verschieden großen Clustern zusammengefügt werden können, entstehen räumliche Vielfalt und flexible Nutzungsmöglichkeiten. Dafür entfällt der Korridor.

Der Frontalunterricht an der Kreidetafel ist größtenteils Geschichte. Die Lernkultur und pädagogische Konzepte haben sich grundlegend verändert und tun es noch. So sind die Unterrichtsformen heute deutlich vielfältiger, um den einzelnen Kindern mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Viele Schulen, auch die neue Ganztagsgrundschule Steinrausch, verstehen sich als offene Schulen, die eine chancengerechte und hochwertige Bildung ermöglichen wollen. Diese individuelle Form des Lernens – und nicht des Belehrens – erfordert Räume, die genau das ermöglichen. Es braucht die entsprechenden räumlichen Konzepte.

Offene Lernlandschaften mit Rückzugsräumen für individuelles Lernen und das flexible Zusammenschalten von Räumen zu Clustern sind längst Teil des Planens von Schulneubauten geworden. Selten jedoch entfällt der Flur ganz, wie im Obergeschoss der neuen Schule Steinrausch. Dort befinden sich alle Unterrichtsräume für die etwa 100 Schülerinnen und Schüler. Im Erdgeschoss dagegen sind ausschließlich die von der ganzen Schule genutzten Räume wie Foyer und Mensa. Zwei Treppen und ein Aufzug führen über die Garderoben in die oben liegenden Lernräume, die alle in verschiedenen Kombinationen miteinander vernetzt werden können. Dabei sind die insgesamt acht Räume zu zwei gleich organisierten Gruppen zusammengefasst: Jeweils zwei der vier Klassenzimmer teilen sich einen Differenzierungsraum, indem sie jeweils die Türe öffnen oder schließen. Auf diese Weise sind die Kinder im benachbarten Raum niemals ausgeschlossen, und die Wege sind kurz. Diese drei Räume sind wiederum mit zwei größeren Gruppenräumen im Innern des Gebäudes verbunden – die sich ihrerseits wieder zu einem extra großen Raum bündeln lassen. Gruppenarbeit, individuelles Lernen und der klassische Frontalunterricht gehen so fließend ineinander über.

Durch das Entfallen des Flurs sind zwei innenliegende Räume mit je fünf Türen entstanden. Deshalb treten Licht und Luft über zwei angrenzende Lichthöfe ein. Durch das Wechselspiel der Öffnungen entstehen so immer wieder neue Sichtachsen und Durchblicke, durch die Lichthöfe sogar bis ins Erdgeschoss hinunter und zurück.

Auch das offene und überschaubar gestaltete Erdgeschoss lässt sich flexibel nutzen. Vom neu gefassten Eingangshof gelangen die Kinder ins Foyer, das in die Mensa übergeht. Ein an den Bestandsbau angrenzender Musikraum lässt sich zur Mensa hin öffnen, damit aus den drei genannten Bereichen je nach Bedarf, etwa für Feste, Konzerte oder andere Auftritte, ein großer Raum entstehen kann. Visuell unterstützt wird der räumliche Zusammenhang durch einen durchgehenden, hellen Terrazzoboden und eine Holzlamellendecke. Die beiden Lichthöfe und eingestellte Nebenräume wie Essensausgabe, Stuhllager oder WCs gliedern die Fläche hingegen in einzelne Funktionsbereiche. Der Pausenhof im Westen ist teilweise überdacht und von Mensa und Foyer aus zugänglich. Im südlichen und östlichen Bereich des Erdgeschosses befinden sich Verwaltungsräume und Kollegiumszimmer.

Die Lichthöfe – von denen einer offen und einer mit Glas überdacht ist – sorgen auch hier für Helligkeit und Blickbeziehungen über die Stockwerke hinweg: Die Kinder und Lehrer sehen sich und treten in Verbindung miteinander. Es entsteht eine lichte, offene und transparente Atmosphäre, die durch insgesamt helle und warme Farben und Materialien unterstützt wird. Dabei überwiegen helles Fichtenholz und ein warm getönter Sichtbeton. Ein mildes Salbeigrün ergänzt die Farbpalette, etwa bei den Linoleumböden in den Verwaltungs- und Lehrerzimmern sowie im gesamten Obergeschoss und den Stoffmarkisen. Nur die Bäder leuchten in kühlem Blau.

Zwar sind die beiden Grundschulen organisatorisch weitgehend getrennt, doch baulich fügen sie sich zu einer Einheit zusammen. Der Altbau von Walter Schrempf ist auf dem Grundriss eines Dreiviertel-Kreises radial angeordnet und durch Sichtbeton-Wandscheiben gegliedert. Der Neubau schließt sich mit dem gläsernen, eingeschossigen Foyer zunächst an den Altbau an, um dann L-förmig in ein zweigeschossiges Gebäude überzugehen. So entsteht ein gemeinsamer Eingangshof für beide Schulen, und zudem im rückwärtigen Bereich der zweite, teils überdachte Pausenhof. Die Geschosse der offenen Holzlamellenfassade aus lasierter Weißtanne – nur unterbrochen durch raumhohe Fenster – werden durch ein markantes Betonband getrennt. Dieses schließt bündig an den Bestandsbau an und führt so dessen horizontale Linie fort. Auf diese Weise können sich das Runde und das Eckige zu einer Einheit verbinden.

Durch die Konstruktion als Massivbau mit schweren Materialien, die Verwendung möglichst lokaler Baustoffe und einer hochwertigen Wärmedämmung sowie durch das Energiekonzept mit Nachtauskühlung, dezentralen Lüftungsgeräten, Wärmetauscher und Photovoltaik auf dem Dach erfüllt das Gebäude bereits die Voraussetzungen, um ökologisch und energieeffizient zu sein; der Passivhaus-Standard wird erfüllt. Ganz besonders ins Gewicht fallen dürfte hierbei die Raumorganisation. Denn dadurch, dass die Verkehrsflächen bis auf Treppenhaus und Garderoben entfallen, ist das Gebäude sehr kompakt und damit effizient. Trotz des Fehlens von Fluren fand sich auch für den Brandschutz eine Lösung: die Räume sind so geschickt miteinander verbunden, dass in jedem Fall immer zwei Fluchtwege zur Verfügung stehen.

Der Abschied vom Schulflur wurde also in jeder Hinsicht konsequent umgesetzt, indem die Räume unterschiedlich interpretiert werden: oben nur Funktionsräume, die auch als Verkehrswege genutzt werden können, und unten fast nur Verkehrswege, die eigentlich Nutzräume sind.

 

Schulhaus Steinrausch

 

 
Schulhaus Steinrausch

 

 
Schulhaus Steinrausch

© alle Bilder: Yohan Zerdoun Photography

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ABMP Architektur und Generalplanung, Freiburg im Breisgau
Das Architekturbüro ABMP Architektur und Generalplanung bearbeitet seit 1991 Projekte für öffentliche, institutionelle und private Bauherrn. Die Partner Susanne Preßer, Rolf Amann und Max Munkel planen und realisieren im Team mit 12 MitarbeiterInnen Gebäude in allen Leistungsphasen. Gemeinsam ist allen Projekten die Suche nach der jeweils angemessenen Lösung für eine bestimmte Bauaufgabe, einen bestimmten Ort und einen bestimmten Bauherrn. Wiederkehrende Themen sind dabei Kontext und Ort, Atmosphäre und Werte, Individuum und Gemeinschaft, Material und Detail. www.abmp-architektur.de