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Presseinformation

Volksschwimmhalle Lankow
  • Dres. Edith und Klaus Dyckerhoff-Stiftung, Wiesbaden

Zweimal serieller Charme: Zeitgemäßer Holzelementbau im DDR-Typenbau

  • » Volksschwimmhalle Lankow in Schwerin für die Transformation zu Wohnen und Therapie ausgezeichnet
  • » „Lang lebe der Beton!“: Klaus Dyckerhoff Preis für Architektur zum ersten Mal vergeben
  • » Jury: Kombinierte Nutzung vorbildhaft für künftige Konversionen von Gebäuden des 20. Jahrhunderts

Die Dres. Edith und Klaus Dyckerhoff-Stiftung in Essen hat in diesem Jahr zum ersten Mal einen Preis vergeben, der die kluge und ästhetisch wie funktional anspruchsvolle Um- und Weiternutzung bestehender Betonbauten honoriert. Die Auszeichnung erhielt die ehemalige Volksschwimmhalle Lankow in Schwerin für die Transformation zu Wohnungen. Zugleich wurde ein kleiner Teil des Bades für Reha-Sport und Kinder-Schwimmkurse erhalten.

Ziel des „Klaus-Dyckerhoff-Preis für Architektur – Lang lebe der Beton!“ ist es, Architekt:innen ebenso wie Bauherr:innen oder Investor:innen dafür zu würdigen, dass sie die Lebenszyklen von bestehenden Beton-Gebäuden verlängern und damit ihre Ökobilanz verbessern, indem sie ihre Revitalisierung, Um- oder Neunutzung mit beispielhaften Projekten vorantreiben. Das Votum für die Sanierung und Umnutzung des ehemaligen Schwimmbads aus der DDR-Zeit durch den Architekten Ulrich Bunnemann vom Büro Schelfbauhütte fiel dabei einstimmig aus. Insbesondere lobte die Jury die „außergewöhnliche Qualität und Stimmigkeit des Gesamtkonzeptes, den originellen typologischen Wandel des Gebäudes sowie die konsequent auf Nachhaltigkeit bedachte Bauweise“.

Die Volksschwimmhalle Lankow ist ein Typenbau aus dem Jahr 1976. Der „Typ B - Bitterfeld“ verfügte über ein 25m Schwimmbecken, ein Nichtschwimmerbecken und eine Sauna. Die Konstruktion bestand im Wesentlichen aus einem Stahlbetonskelett aus vorgefertigten Stützen und Riegeln. Die Dachkonstruktion setzte sich aus ebenfalls vorgefertigten, sogenannten hyperbolischen Paraboloidschalen (“HP-Schalen“), zusammen. Aneinandergereiht ergaben sie außen eine Wellenform, wobei die Konstruktion selbst von innen verdeckt war. Dieses 1951 vom von dem Hallenser Architekten Herbert Müller (1920-1995) entwickelte System war leicht und stabil, materialsparend und damit wirtschaftlich. Die Elemente konnten bei einer Schalendicke von nur 4,5cm eine Spannweite von bis zu 24m und 2m Breite erreichen. In der ehemaligen DDR wurden solche Typenbauten in den 1960er- und 70er-Jahren vielfach errichtet – inzwischen ist dies das einzige erhaltene HP-Schalendach in Mecklenburg-Vorpommern.

Rettung in letzter Minute durch Initiative des Architekten – mit einem originellen Konzept

In Ermangelung eines Sanierungskonzepts des leerstehenden Hallenbades bereitete die Stadt Schwerin den Abriss des seit 2015 unter Denkmalschutz gestellten Gebäudes vor. Ulrich Bunnemann gelang es in letzter Minute, die Stadt zum Verkauf zu bewegen – und im Herbst 2017 konnten sechzehn neue Zwei- bis Dreizimmer-Wohnungen zu einem bezahlbaren Mietpreis bezogen werden. Einen kleinen Teil des großen Schwimmbeckens baute er für therapeutisches Schwimmen und Kinder-Schwimmkurse um und fügte Räume für eine Arztpraxis hinzu. Diese Doppelnutzung bzw. der teilweise Erhalt der ursprünglichen Funktion wurde – neben der ebenfalls lobenswerten Schaffung von Wohnraum – von der Jury besonders hervorgehoben.

Entlang der beiden teils großflächig befensterten Längsfassaden bauten Bunnemann und sein Büro acht barrierefreie Etagen- und acht Maisonettewohnungen ein. Im inneren, niedrigeren Bereich der Halle wurde der größte Teil des Schwimmbeckens abgedeckt und zu Kellern umgenutzt. So entstand ebenerdig ein großzügiges Foyer als Treffpunkt und Begegnungsraum für die Bewohner:innen. Die oberen Etagenwohnungen sind über eine Holztreppe mit Galerie oder über eine Liftplattform zugänglich. Alle neu eingebauten Decken und Wände errichtete die Schelfbauhütte in vorgefertigter Holzbauweise; die industriell abgebundene Holzkonstruktion musste auf der Baustelle nur noch zusammengesteckt werden. Somit entstand ein Fertigteilsystem im Fertigteilgebäude, dies jedoch mit einem nachwachsendem Rohstoff, und darüber hinaus autark und reversibel. Die schnelle und günstige Fertigbauweise wurde somit an diesem Gebäude zweimal – einmal historisch und einmal zeitgenössisch – durchgespielt.

Möglichst nachhaltig und ressourcenschonend gingen die Architekt:innen und Handwerker:innen auch bei der Dämmung und Energiegewinnung vor. Die Außenwände erhielten eine Innendämmung aus Zellulose, die neuen Fenster sind dreifach verglast. Das Regenwasser, das sich auf der nach innen geneigten Dachfläche ansammelt, wird als Grauwasser genutzt, und die PV-Anlage auf dem Dach produziert einen großen Teil der benötigten Energie. Die Erwärmung des Schwimmbads und des Brauchwassers erfolgt über Fernwärme.

Reminiszenzen an alte Zeiten – mit einfachen Mitteln

Die aneinandergereihten, doppelt und gegenläufig gekrümmten HP-Schalen, die man grob als Wannen oder gebogene Halbröhren bezeichnen könnte, hatten zusätzlich eine Aussteifung und Kassettierung, um noch mehr Material und Gewicht zu sparen. Diese zuvor nicht sichtbare Schalen-Konstruktion wurde nun freigelegt. Aufgrund dieser Inszenierung entfalten die Bauteile jetzt nicht nur ihre statische, sondern auch ihre ästhetische Wirkung. Betritt man das Foyer, ist auch hier auf den ersten Blick zu erkennen, dass die Menschen hier früher ihre Bahnen zogen, planschten und untertauchten: ein alter Startblock und dem originalen Vorbild entsprechende Bodenfliesen erinnern noch an die alte Funktion. Somit behält das Gebäude auch seine Identität für viele, die das Bad noch aus ihrer Kindheit kennen.

So wurde der Abriss dieses Betonbaus verhindert, der Lebenszyklus verlängert. Die gemischte Umnutzung ist langfristig angelegt, das Material der Einbauten ist nachwachsend, rückbaubar und wirtschaftlich – all dies lobt die Jury als „ein mustergültiges Konzept, das anderen Umnutzungsvorhaben zum Vorbild dienen sollte“.

 

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Alle Bilder: © Jörn Lehmann

Dres. Edith und Klaus Dyckerhoff Stiftung
Die Dres. Edith und Klaus Dyckerhoff Stiftung wurde 1994 von Dr.-Ing. Edith Dyckerhoff und Dr.-Ing. Klaus Dyckerhoff zur Förderung von Wissenschaft und Forschung, vorzugsweise im Baustoffbereich, gegründet. Seitdem unterstützt sie beispielsweise wissenschaftliche Vorhaben am Forschungszentrum des Verbandes der Deutschen Zementindustrie (VDZ) in Düsseldorf und Arbeiten von jungen Wissenschaftlern am Institut für Nichtmetallische Werkstoffe der TU Clausthal. Zudem schreibt die Stiftung mehrjährige Forschungsprojekte aus. https://dyckerhoff-stiftung.de

Der Preis „Lang lebe der Beton!“
Die 2023 ins Leben gerufene Auszeichnung möchte innovative Ansätze der Bauerhaltung an der Schnittstelle von experimenteller Erprobung, Wissenschaft und Forschung sowie praktischer Anwendung würdigen, bekannt machen und dadurch die Akzeptanz für die möglichst nachhaltige Nutzung des Baustoffs Beton fördern. Ausgezeichnet werden können Bauprojekte – bzw. als deren Repräsentanten die jeweiligen Bauherr(inn)en, Besitzer(innen) und Architekt(inn)en – zur Revitalisierung, Umnutzung oder Neunutzung von Betongebäuden. Die Auszeichnung erfolgt ausschließlich nach Nominierung durch einen fachlichen Beirat, der vom Kuratorium der Stiftung berufen wird. Fremdnominierungen oder Selbstbewerbungen sind nicht möglich. https://dyckerhoff-stiftung.de/baustoffforschung/lang-lebe-der-beton-architekturpreis/

Schelfbauhütte
Die Schelfbauhütte besteht seit 2003 ((oder: wurde von Ulrich Bunnemann und… gegründet)). In Anlehnung an die mittelalterlichen Werkstattverbände, die Bauhütten, arbeiten Architekten, Kaufleute, und Handwerker in einem Unternehmen gewerkeübergreifend zusammen. Gemeinsam arbeiten sie daran, möglichst ressourcenschonend und kostengünstig Altbauten zu sanieren und Neubauten zu errichten. Urban Mining und die Arbeit mit nachwachsenden Rohstoffen – mit einer Spezialisierung auf Stroh als Dämmmaterial – sind dabei ein wichtiger Schwerpunkt. https://www.schelfbauhuette.de/