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18.07.2024
Walka

GWJ Architektur, Bern

Lernen unterm Matterhorn

  • » Bauen unter alpinen Bedingungen: Schulhaus „D‘niww Walka“ in Zermatt von GWJ Architektur
  • » Die Primarstufe ist bereits in Betrieb
  • » Der dritte Teil mit Kindergarten und Kita folgt im Sommer 2025

Im beliebten hochalpinen Ferienort Zermatt (Wallis) ist eine neue Primar- und Orientierungsschule entstanden. Etwa 400 Schülerinnen und Schüler aus Zermatt, Täsch und Randa sind eingezogen und werden in diesem lichten Bau mit viel Holz und Glas ihre Schuljahre bis zur 6. Klasse verbringen. Künftig wird eine Gesamtanlage die drei alten, verbundenen Chalets ersetzen. Zwei Drittel davon (Walka I und II) mit Schule, Turnhalle, Bibliothek und weiteren halböffentlichen Räumen sind bereits in Betrieb. Der dritte Teil, der künftige Kindergarten mit Kita (Walka III) wird im Sommer 2025 eröffnet. Hier ist derzeit noch die in den Hang gegrabene Baugrube zu sehen.

GWJ Architektur aus Bern übernahmen in ihrem Entwurf den dreigeteilten Charakter der bestehenden Schulgebäude aus den Jahren 1958 bis 1972 mit ebenfalls drei gestaffelten und ineinander verschobenen Baukörpern. Obwohl jetzt die charakteristischen Satteldächer fehlen, bleibt die ursprüngliche Maßstäblichkeit der drei Chalets als wiedererkennbares Zeichen bestehen. Die Baukörper integrieren sich mit einer Abtreppung am Hang in die bestehende Topografie und nehmen Bezug auf die umliegenden Gebäude. Obwohl die neue Schule im alten "Footprint" steht, musste ein weiterer Teil des Hangs gesprengt und entfernt werden – was bei den Extrembedingungen eine konstruktive und logistische Herausforderung war. Denn am Fuße des Matterhorns ist alles anders und extremer als anderswo, selbst in den Alpen. Im höchsten und größten Sommerskigebiet der Schweiz gelegen, liegt auch in Zermatt auf rund 1.600 Höhenmetern während einem Großteil des Jahres Schnee. Beliebt bei Bergfexen aller Art, die in der Region Ski fahren, klettern oder wandern, prägen mehr als zwei Millionen Besucher pro Jahr die 6.000-Einwohner-Gemeinde, sowohl (infra-) strukturell als auch gesellschaftlich. Außerdem ist das ganze Dorf autofrei und nur mit speziellen Elektrofahrzeugen befahrbar – und die Schule befindet sich am Südhang und am Rand der historischen Bebauung, sozusagen in der zweiten Reihe. So verengen nicht nur die klimatischen Bedingungen das Zeitfenster, in dem gebaut werden kann, sondern auch die Reisesaison und die Unterrichtszeiten. Hinzu kommt die extreme Hanglage, die zusätzliches, mitunter lärmintensives Gerät erfordert und den Abtransport von Abbruch- und Aushubmaterial durch den Ort erschwert.

Die Gestaltung des Neubaus, der die dreigeteilte Struktur aufnimmt, ist zugleich die Lösung der konstruktiven und logistischen Herausforderungen: Zwei funktional optimierte Bauabschnitte erlauben es, zeitversetzt zu bauen und zugleich den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten, indem die Kinder im jeweils noch oder schon bestehenden Gebäudeteil unterrichtet werden. So konnten die einzelnen Bauetappen seit Beginn des Rückbaus im April 2021 präzise in die knapp bemessenen freien Baufenster gelegt werden. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist der Wegfall von teuren Provisorien.

Das Gedächtnis des Ortes: Respektvoller Umgang mit natürlicher und gebauter Umgebung

Der Hang bildet die Rückwand des Gebäudes, wobei die unteren beiden Volumen von der Felswand abrücken und somit vom Dorf her nicht einsehbare Außenräume zur Hangseite hin freigeben. Die Schule präsentiert sich dem Dorf aus verschiedenen Blickwinkeln und in verschiedenen Höhen. Dadurch und durch die vertikalen Holzlamellen des vorgelagerten Fassadenrasters und durch horizontale Bänder, die Gesamthöhe wohltuend gegliedert. Die seitlichen Fassaden sind größtenteils geschlossen und kontrastieren zu den großzügig verglasten südorientierten Fassaden. Dadurch wird ein rhythmisiertes, lebhaftes Spiel von offenen und geschlossenen Gebäudeteilen aufgebaut, die sich mit ihren Proportionen an das gebaute Umfeld anlehnen – eine moderne Interpretation der traditionellen Ökonomie- und Chaletbauten. Ebenso erinnern die leicht gespreizten Ecken der Fassade an traditionelle Strickhäuser.

Auch wenn die einzelnen Gebäude von außen wie drei- bis fünfgeschossig erscheinen, verfügen sie vom Untergeschoss im Osten bis zum höchsten im Westen über insgesamt sieben Geschosse. Nicht zuletzt durch den Raumgewinn konnten neue Qualitäten geschaffen, durch die maßvolle Integration in die Umgebung vorhandene gestärkt werden. Drei Wege führen durch das gewachsene Dorf zu den beiden Eingängen im Osten am Kirchplatz und weiter oben zur Kita im Westen.

Rund ums Atrium: ein offenes und transparentes Gemeindezentrum

Das Atrium im mittleren Bau ist der Dreh- und Angelpunkt und das gemeinsame Zentrum der niww Walka. Es übernimmt gleich mehrere Funktionen, analog zu einem Dorfplatz. Es ist Ankunftsort und Orientierungspunkt, von hier gehen alle Korridore aus. Es ist Eingangshalle und Pausenraum zugleich, ein Aufenthalts- und Begegnungsraum für alle. Von hier aus können sich die Kinder gut orientieren und bis hinauf in die obersten – nach innen verglasten und damit transparenten – Etagen sehen. Dort sind die Brüstungen der Galerien so gestaltet, dass auch die Kleinsten auf ihrer Augenhöhe durch den tiefergelegten Glaseinsatz nach unten schauen können. Blickbeziehungen ergeben sich wie von selbst.

Eine weitere Funktion des Atriums: nicht nur die Menschen verteilen sich von hier aus, sondern auch das Licht. Dadurch, dass das Atrium sich über alle fünf Etagen erstreckt, bringt es viel Tageslicht nach innen. Die oberen beiden Geschosse sind nach Norden und Osten geöffnet und führen es bis weit nach hinten in die hangseitigen Räume.

An das Atrium grenzen auch der Speisesaal, die Bibliothek und multifunktionale Sitzungszimmer, die teilweise öffentlich zugänglich sind. Dadurch steht die Schule auch der Bevölkerung zur Verfügung und kann als eine Art Gemeindezentrum genutzt werden. Der Speisesaal ist nicht nur für den Mittagstisch vorgesehen, sondern er bietet auch für Veranstaltungen, Versammlungen und als Theaterraum Platz für bis zu 150 Personen. Bei Bedarf können Schwingtüren zum Atrium hin geöffnet werden. Auch die holzverkleidete Einfachturnhalle im Untergeschoss wird im Abendbetrieb von lokalen Vereinen genutzt.

Das Farbkonzept: Die Kinder dürfen übernehmen

Die insgesamt 22 Klassenzimmer für den regulären Unterricht in den oberen Geschossen sind vor allem nach Süden, zur Sonne hin und mit Blick ins Tal ausgerichtet. Zum Hang oder innen liegende Zimmer erhalten natürliches Licht durch das Atrium oder Oberlichter. Der Neubau setzt die pädagogischen Ansprüche eines zeitgemäßen, "zermatter" Schulbetriebes um und integriert die Anforderungen einer gemischten schulischen und außerschulischen Nutzung über gesonderte Supporträume, die ergänzend zum Unterricht variabel genutzt werden können.

Alle Innenräume, die Flure, Vorzonen, Nischen und die offenen Treppenhäuser sind in zwei zurückhaltenden und landschaftsprägenden Farbtönen gehalten: warmes Holz und kühles Mineral. Die mineralischen Oberflächen sind vorwiegend aus Beton, während sich das Holz als Füllelement durch das ganze Fügungsprinzip der niww Walka zieht und immer wieder zwischen den mineralischen Bauteilen aufspannt, so etwa in den Garderoben und Nischen, wo man sich aufhält oder zurückzieht. Diese Grundstimmung zieht sich durch das ganze Gebäude und darf nun mit dem bunten Leben der Kinder gefüllt und gestaltet werden.

 

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Alle Bilder: © Susanne Goldschmid

GWJ Architektur AG, Bern
GWJ ist ein schweizweit tätiges Architekturunternehmen mit rund 50 Mitarbeitenden aus 10 Nationen. Gemeinsam mit Kunden, Nutzern und ausgewählten Spezialisten entwickelt GWJ sozial-, wirtschafts- und klimaverträgliche Projekte. Ziel von GWJ ist es, nachhaltig attraktive Orte für Mensch und Gesellschaft zu schaffen, die künftige Entwicklungen zulassen und einen schonenden Umgang mit den Ressourcen ermöglichen. Maßstabsübergreifend arbeitet GWJ in den Bereichen Architektur, Städtebau und öffentlichem Raum. GWJ realisiert Bauten fürs Wohnen und Arbeiten, für die Bildung und Gesundheit.
Weitere Informationen: www.gwj.ch