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19.11.2024

Colmi Basel

Rahbaran Hürzeler Architekt:innen, Basel

Wohnhof Colmarerstrasse in Basel: Vielfalt auf kleinstem Raum

In einem typischen Basler Hinterhof entsteht ein dichtes städtisches Ensemble mit Mietwohnungen, Kleingewerbe und Ateliers. Die Architektinnen Shadi Rahbaran und Ursula Hürzeler haben die neuen Wohn- und Arbeitsräume entlang der Hofmauern angeordnet, bestehende Gebäude umgenutzt sowie durch Neubauten ergänzt. Die räumliche und soziale Mitte des Projekts bildet ein gemeinschaftlicher Hof, der als Treffpunkt dient und allen Bewohner:innen gleichermaßen zur Verfügung steht.

In den Hinterhöfen der typischen Basler Blockrandbebauungen der Jahrhundertwende haben sich im Laufe der Zeit kleine Handwerksbetriebe angesiedelt. So auch an der Colmarerstrasse 14, in der Werkstätten, Unterstände und ein Pferdestall direkt an die Grundstücks- und Brandmauern gebaut wurden. Ein großer, überhoher Natursteinkeller lässt zudem vermuten, dass hier einmal Wein in Fässern gelagert wurde. Bei der Umgestaltung des Gewerbehofes in einen Wohn- und Arbeitsort legten Rahbaran Hürzeler Architekt:innen besonderen Wert darauf, die idyllische und kleinräumige Atmosphäre der Parzelle trotz der geforderten maximalen Ausnutzung zu bewahren. Die vorgefundene Situation mit dem von Natursteinwänden gefassten und von kleinteiligen Bauten und Kletterpflanzen geprägten Hofraum bildete auch die Leitidee für die Neusetzung der Bauten und den Entwurf der Freiräume. Die Architekt:innen ließen sich dabei von den vorgefundenen Strukturen inspirieren, führten den erhaltenswerten Bestand einem neuen Zweck zu und ergänzten die Bebauung mit neuen Gebäudekörpern unter Nutzung der bestehenden Fundamente und Keller.

Der Innenhof wirkt damit trotz der neu eingefügten Wohn- und Nutzbauten licht und freundlich, zudem beleben die geplanten Gewerbe- und Gemeinschaftsnutzungen die neu gestalteten Freiräume.

Durch Nachverdichtung mehr Wohnraum schaffen

Den grössten Zuwachs an Wohnraum ermöglichte das neue Vorderhaus an der Colmarerstrasse 14. Hier wurde das baufällige, dreigeschossige Wohnhaus durch vier Voll- und zwei Attikageschosse ersetzt und in der Gebäudetiefe um eine Raumschicht erweitert. In den Regelgeschossen entstanden so 4.5 Zimmer Wohnungen, die vor allem für Familien geeignet sind, und im Attika eine weitere große Wohnung über zwei Ebenen. Die Tragstruktur wurde als schlankes Platten-Stützen System in Beton geplant, welches sich zwischen die seitlichen Brandmauern aus Naturstein einpasst und von einem aussteifenden Treppenkern gehalten wird. Die Fassade und sämtliche inneren Trennwände sind in Leichtbau konstruiert und bei Bedarf anpassbar.

Somit lassen sich sowohl großzügige zusammenhängende Wohnflächen wie auch einzeln abtrennbare Zimmer schaffen. Dabei sind die Wohnflächen knapp geschnitten, was zu einem geringen Flächenverbrauch pro Person und damit auch zu vergleichsweise kostengünstigen Wohnungen führt.

Im Hof entstehen weitere Wohnungen: So reihen sich drei neue, knapp geschnittene Townhouses an der nördlichen Brandwand aneinander. Die Häuser zeichnen sich durch eine grosse Wohnküche auf der Hofebene, private Zimmer im Obergeschoss und einen gemeinschaftlichen Dachgarten aus.

Der historische Pferdestall, der am tiefsten Punkt der Parzelle steht und zwischen den Grundstücksmauern aus Naturstein eingepasst ist, wurde zu einem offenen Atelier für Wohnen und Arbeiten ausgebaut. Minimale Einbauten bieten die notwendige Infrastruktur, und eine Wendeltreppe aus Stahl erschliesst die Ebenen vom Hof über die darüber liegenden Wohnebene bis hin zur offenen Galerie im Dach.

Als viertes und letztes Gebäude steht in der Parzellenmitte ein Pavillon in Holzbauweise. Der große, durch Vorhänge unterteilbare Raum bietet sich als Gemeinschafts-, Werkraum oder auch für temporäres Wohnen an.

Neues Leben in alten Mauern

Eine außergewöhnliche Umnutzung erfuhr auch der ehemalige Weinkeller unterhalb der neu erstellten Reihenhäuser. Die Architekt:innen erkannten die Qualität dieser überhohen, imposanten Halle im Untergrund und die Möglichkeit, daraus etwas Besonderes zu gestalten. Über eine neu eingefügte Außentreppe und einen Lichthof wird der Naturkeller zum Tageslicht hin geöffnet und mit kleinen abgesenkten Gärten ergänzt. Eine neu eingezogene Glasfassade schafft einen wettergeschützten, beheizbaren und multifunktionalen Raum für die Bewohnerinnen und Bewohner.

Beim Entwurf der Wohnungen wurde darauf geachtet, materialgerecht zu konstruieren und möglichst umfassend mit nachwachsenden Materialien wie Holz zu bauen. Deshalb kommt Beton nur dort zum Einsatz, wo er statisch sinnvoll und notwendig war. Etwa bei den Schotten zwischen den Townhouses, um die Brandwand im Rücken des Gebäudes zu stabilisieren. Die restlichen Wand- und Deckenaufbauten sind in vorfabrizierter Holzbauweise ausgeführt.

Gesichter zum Hof und zur Straße

Durch differenziert gestaltete Gebäudefassaden entsteht im Hof der Eindruck eines kleinen, über die Jahre gewachsenen Ensembles mitten in der Stadt. Silbergraue Holzverkleidungen wechseln sich ab mit großformatigen Fenstern in taubenblau und salbeigrün. Dazu bilden sowohl der ehemalige Pferdestall mit seinen Massivsteinmauern und roten Sandsteingewänden als auch das Vorderhaus mit den raumhohen Verglasungen und auskragenden runden Balkonen ein kontrastreiches Gegenüber.

Die Straßenfassade bezieht sich in ihrer Gestaltung und Proportion auf die vertikale Gliederung der Nachbargebäude der Jahrhundertwende. Die hohen Fensterformate mit faltbaren Klappläden sind eine Referenz an das nahe Frankreich, worauf auch der Straßenname verweist.

Die auf den ersten Blick klassische Lochfassade entpuppt sich bei genauerem Hinsehen jedoch als Leichtbau: Die weiß Wellbandfassade aus Metall strahlt eine spielerische Leichtigkeit aus und ihre hellen Farben changieren im Sonnenlicht. Die grün glasierten Keramikplatten des Sockelgeschosses hingegen betonen die Massivität und erzeugen einen robusten Übergang zum öffentlichen Straßenraum. Analog zu den Nachbarbauten befindet sich auch hier auf Erdgeschossebene ein kleines Ladengeschäft, das zur Belebung des Quartiers beiträgt.

Der hinzugewonnene Wohnraum wird durch den neu gestalteten Freiraum im Hinterhof ergänzt. Zwischen den Hofbauten verläuft ein zentraler Weg, dessen offenfugiger und sickerfähiger Belag von mit Bäumen und Stauden bepflanzten Grünflächen begleitet wird. Wie bereits im 19. Jahrhundert bleibt das Gewerbe auch in Zukunft ein Bestandteil des Ensembles. Im Vorderhaus an der Colmarerstrasse werden je ein Gewerberaum zur Straße und zum Hof angeboten; auch Teile des Naturkellers und des Pferdestalls im Innenhof könnten wieder gewerblich genutzt werden. So entsteht nicht nur eine grüne Oase und ein Gemeinschaftsort, sondern auch ein lebendiger Hofraum im Quartier.

 

Blick aus Vorderhaus

Ehemaliger Pferdestall

Im ehemaligen Weinkeller
Alle Bilder: © WEISSWERT

Rahbaran Hürzeler Architekt:innen wurde 2013 von Shadi Rahbaran und Ursula Hürzeler in Basel gegründet. Die Architektinnen lehren, forschen und bauen. Ihr Tätigkeitsfeld reicht von der Planung verschiedener Wohn- und Schulbauten über städtebauliche Projekte und Forschung bis hin zu Ausstellungs- und Objektgestaltung. Die Gleichzeitigkeit und Unterschiedlichkeit dieser Aufgaben wirkt als Katalysator für die Entwicklung ihrer spezifischen architektonischen Lösungen. Zu den realisierten und in Realisierung befindlichen Projekten gehören Wohn- und Schulbauten in Basel, Zug, Luzern und Engelberg, aber auch viel beachtete Projekte wie das experimentelle ‘movable house’.  www.rharchitekten.ch/